Fazit nach 10 Jahren Freiheitspodium

Der Initiator des Freiheitspodiums, Daniel Seiler, hat sich mit der Basler Zeitung über 10 Jahre Freiheitspodium unterhalten.

Advertisement

Rückblick Freiheitspodium: Masken können helfen einen Teil der Freiheit zu bewahren.

FMA_0247Foto: František Matouš, (vlnr: Philipp Loser, Tino Krattiger, Daniel Seiler, Ronja Jansen und Baschi Dürr

Von Daniel Seiler, Initiator Freiheitspodium

Im SUD am Burgweg fand sich Anfang August eine interessante Runde zusammen. Im Rahmen des Freiheitspodium wurde darüber diskutiert, wie es heute um die Freiheit steht. Die Podiumsteilnehmenden waren sich zwar nicht einig, ob wir heute als Gesellschaft freier oder unfreier sind. Einigkeit herrschte aber im ganzen SUD, dass wohl Masken in der heutigen Krise dazu beitragen können, einen grossen Teil unserer Freiheit zu bewahren.

Am 5. August durfte ich im SUD am Burgweg als Moderator mit der Juso-Präsidentin Rona Jansen, dem Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr, dem Flusskapitän Tino Krattiger und dem Journalisten Philipp Loser darüber diskutieren, wie es heute um unsere Freiheit steht und wie sich unsere Freiheit verändert hat.

Trotz Coronakrise und Sommerferien fanden sich gut 50 Personen im SUD ein und folgten einer interessanten Diskussion, mischten sich mit Fragen und Feststellungen ein und genossen anschliessend auch noch an der Bar ein Bier oder ein Glas Wein.

Philipp Loser meinte zu Beginn der Diskussion wohl nicht ganz zu unrecht, dass wir uns nach dem Lockdown darüber freuen sollten, dass wir heute solche Abende überhaupt wieder zusammen verbringen dürfen. Er fügte an, dass wenn man vergleicht, wie es der restlichen Welt in den letzte 50 Jahren ergangen ist, wir hier in Basel und der Schweiz massiv an Freiheit gewonnen haben.Tino Krattiger widersprach und betonte, dass wir massiv unfreier geworden sind. Auf Kosten der Freiheit gehe das zunehmende Sicherheitsdenken, eine infantile Lebenshaltung und das zunehmende Streben nach Regeln. Er fügte an, dass der, der mit der Herde gehe, die Freiheit verliere.

Für Ronja Jansen bedeutet Freiheit, dass alle Menschen sich unabhängig von ökonomischen Zwängen entfalten können. Auch für Baschi Dürr braucht Freiheit eine ökonomische Basis. Aber ungebremste Umverteilung, wie von links gefordert, führt zum Gegenteil. Er betonte, dass wir uns heute zwar freier bewegen und dass die gemeinschaftlichen Zwänge abgenommen haben, gleichzeitig gesamtgesellschaftlich die Freiheit durch neue Gesetze aber auch abgenommen hat.

Tino Krattiger meinte, dass in der Krise auch die freie Meinungsäusserung leidet. Es wird zwar viel kommuniziert, aber andere Meinungen werden nicht nur in den Sozialen Medien rasch niedergeschrien.

In der aktuellen Krise verhalten sich die Menschen unterschiedlich, die einen leben, zumindest nach aussen, fast ganz normal weiter, andere schotten sich aus Angst ab. Auch im Umgang mit der Krise und den Massnahmen gibt es unterschiedliche Lager. Die Verschärfer, die die Grenzen wieder schliessen und rasch zusätzliche Massnahmen fordern und die Kritischen, die sich dezidiert gegen zusätzliche oder bestehende Massnahmen aussprechen.

Die Podiumsteilnehmenden wollten sich nicht einem Verhaltensmuster zuordnen lassen. Tino Krattiger forderte aber dazu auf, einzugestehen, dass uns die Ungewissheit und Machtlosigkeit Angst macht und eigentlich niemand eine Lösung hat. Baschi Dürr fügte an, dass man sich als Politiker rasch gezwungen fühlt, etwas machen zu müssen, wenn ein Problem bestehe. Denn nichts zu tun und abzuwarten sei für einen Politiker schwer. Dabei könne eine Nichtmassnahme auch sinnvoll sein. In der jetzigen Situation allerdings war es richtig zu handeln. Aber es gibt nicht die Lösung, man müsse auch mal etwas ausprobieren und dazulernen. Da müssten wir alle ehrlich sein: Eine solche Situation gab es noch nie.

Manchmal hilft aber der Blick über die Grenze, ich war ein paar Tage am Gardasee. In Italien herrscht Maskenpflicht in den öffentlich zugänglichen Innenräumen. Während dem Einkaufen und Shoppen hat man eine Maske an und bevor man das Restaurant betritt, zieht man die Maske an und zieht sie erst wieder am Tisch ab. Serviert wird konsequent mit Masken. Das funktioniert in Italien gut und mang gewöhnt sich rasch daran.

Intensiv wurde die Frage diskutiert, ob unser Föderalismus mit 26 Lösungen für alle Kantone nicht in der Krise an die Grenzen stösst und ob die Maskenpflicht ausgeweitet wird.Ronja Jansen meinte, dass eine Ausweitung der Maskenpflicht sinnvoll sein kann und dass die Nichtüberlastung des Gesundheitssystems vor einer «Maskenfreiheit» stehen müsse. Philipp Loser wollte zwar keine Prognosen machen, aber er vermutet, dass wir jetzt noch ein paar Monate Föderalismus haben werden, aber dann je nach Entwicklung der Zahlen, der Bund wieder eingreifen werde. Baschi Dürr kann sich vorstellen, dass die Maskenpflicht wie in anderen Kantonen ausgeweitet wird. Für die lange Frist – oder auch ein nächstes Virus – ist ihm wichtig, dass die Entscheide auf Erkenntnissen und Prognosen möglichst unterschiedlicher Experten beruhen; nicht nur Virologen, sondern auch Soziologen, Ökonomen oder Juristen.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass uns wohl die Masken im Herbst oder Winter helfen könnten, zumindest einen Teil unserer Freiheit zu bewahren.

Nächstes Freiheitspodium am 5. August: Wie steht es um unsere Freiheit?

Freiheit

Im Moment sprechen viele von der zweiten Coronawelle oder gar vom einem zweiten Lockdown. Man ist aufgefordert den SwissCovid App herunter zu laden.
Noch vor wenigen Monaten war der Aufschrei gross, als man vermehrt GPS-Tracking bei der Verbrechensbekämpfung einsetzen wollte. Jetzt ist wenig Kritik bezüglich  zunehmender staatlichen Überwachung zu hören. Des Credo lautet, Gesundheit steht über Freiheit. Das war während des Notstandes ja durchaus nachvollziehbar, aber was ist nach der Coronakrise?

Am nächsten Freiheitspodium möchten wir darüber diskutieren, wie es aktuell um unsere Freiheit steht. Und was wir gegebenenfalls machen müssen, damit auch in Zukunft eine grösst mögliche Freiheit sicher gestellt ist.

Es diskutieren

Ronja Jansen, Präsidentin Juso Schweiz
Baschi Dürr, Regierungsrat, Justiz- und Sicherheitsdirektor Basel-Stadt
Tino Krattiger, Im Fluss
Philipp Loser, Journalist Tagesanzeiger

Moderation: Daniel Seiler 

Datum: 5. August
Ort: Im SUD, Burgweg 7, 4058 Basel
Zeit: 19:00h

Türöffnung und Barbetrieb am 18:30h

 

 

 

 

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt

Beitrag von Tino Krattiger

Das besagt eine Liedzeile von Reinhard Mey – richtig, das ist der, der einst über den Wolken schwebte und dabei die Erkenntnis hatte, dass an diesem Ort die Freiheit wohl grenzenlos sei.

Inzwischen ist aus dem damals etwas weichgespülten Zeitgenossen kein altersmilder geworden. Im Gegenteil: Er ist nach wie vor ein freiheitsliebender Barde, der Politikern zutiefst misstraut. Recht hat er, wenn er warnt: «Sei wachsam, präg dir die Worte ein! Sei wachsam und fall nicht auf sie rein! Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt, die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!»

Wer sich heute, in Zeiten von Covid-19, im Netz bewegt, zum Beispiel auf Facebook, macht die erschütternde Erfahrung, dass die meisten die Freiheit preisgegeben haben. In unserem Falle an die Kantone und an den Bundesrat.

Die Argumente dafür kennen wir zuhauf und deshalb möchte ich auf diese nicht weiter eingehen. Nur frage ich mich, was sind die Folgen? Zurzeit haben wir Schweizerinnen und Schweizer unsere gesamten demokratischen Freiheitsrechte abgetreten. Und es regt sich kaum Widerstand. In Deutschland das Gleiche – dort aber gibt es Gegenwehr in Form von zum Teil berechtigter und scharfer Kritik. Bei uns hingegen gibt es einen Maulkorb, nicht von «oben», von Volkes Stimme. Und warum? Weil das Unkontrollierbare hinter jeder Hausecke lauert – der Tod. Zugegeben, Gevatter Tod ist ein humorloser Geselle, macht keinen Unterschied zwischen den Ständen und tippt jedem auf die Schulter, gerne sogar den Alten und Schwachen. Darum war das alles ja auch sinnvoll. War und ist es – ja. Aber nicht um jeden Preis.

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt. Welche Freiheit bleibt uns denn noch? Ich meine, die Freiheit zu denken und kritisch zu fragen, zu hinterfragen. Und vertrackt ist es mit der Dialektik, auch da schlägt einem die breite Öffentlichkeit, oder soll ich sagen der Mob, mit dem Lineal auf die Finger. Kritische Frager müssen sich dann wüste Beschimpfungen in den Foren anhören. Das Tragische daran: Aus Zensur wird Selbstzensur. Aus Achtsamkeit Denunziantentum. «Besorgte» Bürger rufen die Polizei, weil da wieder mehr als fünf Menschen unterwegs sind, weil sie «genau sehen», dass der Abstand von zwei Metern nicht eingehalten wird. Wütende schreien nach Massnahmen wie in Italien und fordern den totalen Einschluss aller Mitbürger!

Wie soll man Zensur denn noch beschreiben? Gar nicht. Denn genau das ist es. Selbstgewählt und selbstverschuldet. Das ist das Gegenteil von Freiheit, von freiheitlichem Denken, von einer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Noch vor sechs Monaten wäre diese Schilderung belächelt worden. Im Hier und Jetzt wird stattdessen das umfassende Handytracking gefordert. Es ist wie die ewige politische Frage nach Überwachung im öffentlichen Raum und die damit einhergehende Stammtischmeinung: «Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat auch nichts zu befürchten.» Der Schuss kann aber bekanntlich auch nach hinten losgehen.

Ich gebe zu, auch ich fand in Zeiten der grenzenlosen Freiheit ein «Freiheitspodium» der FDP eher niedlich. Heute meine ich, wir brauchen es dringender denn je. Wir dürfen nämlich nicht aufhören, Demokratie zu leben, nicht aufhören, den Widerspruch zu fördern, zu widersprechen – Widerworte hiess das früher mal so schön –, Widerworte zu geben. Nachzufragen, zu hinterfragen, unbequem zu sein und den «Mächtigen auf die Finger zu klopfen». Denn wir haben doch aus der Geschichte gelernt, was geschieht, wenn wir die Demokratie preisgeben. Oder? Haben wir doch?

Darum zitieren wir den alten Liedermacher noch einmal: «Sei wachsam, merk dir die Gesichter gut! Sei wachsam, bewahr dir deinen Mut. Sei wachsam und sei auf der Hut!»

Rückblick Freiheitspodium «Gefährder» vom 20. März im SUD

Das 14. Freiheitspodium ging den Fragen nach, wie wir uns als Gesellschaft vor Extremisten schützen und was zu tun ist, ohne die Liberalität aufzugeben. Regierungsrat Baschi Dürr informierte zuerst über die aktuellen Massnahmen der Behörden. Anschliessend diskutierten Edibe Gölgeli – Grossrätin SP, Thomas Kessler – Consulter/Leiter Task Force 2016/17, Dr. iur. Reto Müller – Lehrbeauftragter für Sicherheits- und Polizeirecht sowie Andreas Räss – Leiter Fachstelle Integration. Moderiert wurde das Podium von Daniel Gerny – Journalist NZZ.

Von Daniel Seiler, Organisator Freiheitspodium

Freiheitspodium Web FDPTeilnehmer vlnr: Dr. iur. Reto Müller – Lehrbeauftragter für Sicherheits- und Polizeirecht, Thomas Kessler – Consulter/Leiter Task Force 2016/17, Daniel Gerny – Journalist NZZ (Moderation), Andreas Räss – Leiter Fachstelle Integration, Edibe Gölgeli – Grossrätin SP und Regierungsrat Baschi Dürr  

Zuerst wurde darüber diskutiert, wie man mit den durch die USA in Syrien gefangenen ca. 30 IS-Kämpfer mit Schweizer Pass umgehen soll. Donald Trump hatte ja die Rücknahme und Aburteilung gefordert. Thomas Kessler kritisierte den Bundesrat, der sich formalistisch vor einer geordneten Rückführung drücke. Man müsse den Kurden vor Ort bei den Abklärungen helfen und die Verantwortung übernehmen, sonst kämen die Jihad-Reisenden unkontrolliert zurück. Die Podiumsteilnehmer waren sich darin weitgehend einig, dass die Bürgerinnen und Bürger in die Schweiz überführt werden sollen und ihnen in der Schweiz der Prozess gemacht werden soll. Ein Prozess im Syrien selber wurde als Variante verworfen, da die Strukturen in Syrien keinen korrekten Prozess erlauben würden. Als Variante wurde auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag aufgeführt.

Des Weiteren wurde über die Möglichkeit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit von potenziellen Gefährdern gesprochen. In der Schweiz werden bisher vor allem Sexualstraftäter nach der Verbüssung der regulären Haftstrafe vorsorglich verwahrt. Im Ausland nimmt der Ruf zu, potenzielle terroristischen Täter – sogenannte Gefährder – vorsorglichen die Freiheitsrechte einzuschränken.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Bewegungsfreiheit eines der höchsten Güter einer demokratischen Gesellschaft ist und dass es sehr gute Gründe braucht, diese Freiheitsrechte einzuschränken. Die heutigen Gesetze lassen es in der Schweiz heute auch nicht zu, einen «Gefährder» vorsorglich in Haft zu nehmen.

Keiner der Teilnehmer forderte explizit eine Verschärfung der Gesetze, damit eben eine vorsorgliche Haft möglich wäre. Auch nicht auf mein Nachfassen. Ich bin der Meinung, dass der Ruf nach schärferen Gesetzen auch in der Schweiz zunehmen würde, falls einmal in der Schweiz ein Terrorattentat mit extremistischem Hintergrund verübt würde.

FDP-Nationalratskandidat Thomas Kessler ergänzte, dass es nicht ständig neue Gesetze braucht, sondern die präzise Anwendung der bestehenden Gesetze mit ausgezeichnetem Fachpersonal der Schlüssel zum Erfolg ist. Die bestehenden Ressourcen des Staates müssten gezielter eingesetzt werden zur Abwehr der aktuell realen Gefahren wie eben Gewaltextremismus, aber auch von Cybercrime und Spionage.

Der Journalist Beat Stauffer wies darauf hin, dass die meisten Jihadisten aus islamischen Ländern kämen, viele beispielsweise aus Tunesien. Die Motivation für die Kriegsteilnahme also kaum in der Islamophobie liegen könne.

Für den BaZ-Journalisten Daniel Wahl herrschte auf dem Podium etwas zu viel Harmonie. Er hätte sich wohl eine kontroversere Auseinandersetzung gewünscht, doch die Kritik von Kessler an der Bundesrats-Haltung und dem bisherigen Einsatz der Ressourcen für Sicherheit hat Reaktionen im Publikum ausgelöst. Eine einstündige Podiumsveranstaltung kann nicht alles ausdiskutieren, das Thema wird aktuell bleiben und die FDP wird sich weiter damit auseinandersetzen.

Am Dienstag 5. März wird Thomas Kessler im Club von TV SRF 1 ab 22:20 Uhr zur Gefährlichkeit der IS-Rückkehrer mitdiskutieren.

Eine kritische Zusammenfassung der Diskussion im Freiheitspodium kann hier nachgelesen werden: https://bazonline.ch/basel/stadt/hilfe-die-extremisten-kommen/story/21139009

Fotos by Daniel Allemann

Nächstes Freiheitspodium “Gefährder & Freiheit” am 20. Februar 2019 / 19:00h im SUD

schutz weihnachtsmarkt

„Gefährder“ sind für uns ein recht neues Phänomen. Im Ausland werden teilweise Gesetze verschärft, um die Bewegungsfreiheit von „Gefährdern“ zum Wohle der Freiheit der Gesellschaft einschränken zu können. Wir möchten das Thema vertiefen. Es geht dabei nicht einfach nur um islamistische Extremisten, denn z.B. der Obdachlosenmörder von der Dreirosenanlage bezog sich bei seinem Gewaltexzess ja eher auf die christliche Kirche und der Amokfahrer von der Silvesternacht in Bottrop scheint ein „Ur-Deutscher“ mit fremdenfeindlichen Motiven zu sein…

Wir möchten unter anderem folgenden Fragen nachgehen:
Wie schützen wir uns als Gesellschaft vor Extremisten?
Braucht es schärfere Gesetze oder mehr Polizei? Oder mehr Integration und Sozialarbeiter? Oder ist alles nur halb so schlimm?

Regierungsrat Baschi Dürr informiert zuerst über die aktuellen Massnahmen der Behörden. Danach diskutieren

  • Edibe Gölgeli, Grossrätin SP
  • Thomas Kessler, Consulter/Leiter Task Force 2016/17
  • Dr. iur. Reto Müller, Lehrbeauftragter für Sicherheits- und Polizeirecht»
  • Andreas Räss, Leiter Fachstelle Integration

Moderation: Daniel Gerny, NZZ

Öffentliche Veranstaltung: Türöffnung 18:30h – Start Podium 19:00h

 

 

 

 

 

Lebendige Stadt oder Sanatorium?

Rückblick Freiheitspodium
Thomas Kessler, Berater und 
früherer Leiter Stadtentwicklung

Am Montagabend, 19. März, hat sich im Stellwerk St. Johann einmal mehr gezeigt, wie wichtig das freisinnige Basler Freiheitspodium für den städtischen Diskurs ist. Der Publikumsaufmarsch hat gezeigt, dass mit dem Thema Stadtlärm einmal mehr der Nerv getroffen wurde. Der hartnäckige Trend zu Überregulierung und Verrechtlichung des Alltags zeigt sich überdeutlich im Umgang mit Kinderlachen, Nachbar-Party, Jugendevent und den lebensfreudigen Emissionen der Gastronomie.

Da die Bewertung von Geräuschen höchst subjektiv ist und sich im Laufe der Zeit stets ändert, wurde nicht über Baulärm und Kirchenglocken geredet, sondern hauptsächlich über die Gastronomie und Musik. Marus Ebneter vom Wirteverband legte anschaulich dar, wie in Basel die rigorose Strapazierung der Lärmschutzgesetze die Wirte unter Dauerverdacht stellt und zu grotesken Einschränkungen führt. Mitten im Hochsommer müssen einzelne Gartenbeizen die Menschen zwischen 19 und 22 (Sommerzeit, noch hell) in die stickigen Räume schicken. Hotels von Weltrang wie das Drei Könige müssen zur besten Zeit die internationalen Gäste von der Terrasse wegbitten.

Bild Freiheitspodium

Von links: Harald Hikel, Maurus Ebneter, Franziska Laur (Moderation), Malika Abd’Rabbou und Urs Preisig.

Der Leiter der Abteilung Lärmschutz im AUE, Harald Hikel, erklärte die behördliche Praxis. Inzwischen messen, beraten, rügen und verzeigen ganze sieben Angestellte Wirte und Kulturveranstalter. Die Anzahl Meldungen sei derzeit stabil. Marus Ebneter führte dazu aus, dass vor nicht allzu langer Zeit eine Person in diesem Amt ausreichte und die behördliche Omnipräsenz als Damoklesschwert für die Wirte wirke. Ein Kulturveranstalter bestätigte am Rande der Veranstaltung, dass inzwischen an den Anlässen ständig unangemeldet Messungen vorgenommen werden. Malika Abd’Rabbou von der Mobilen Jugendarbeit zeigte ihre Sensibilisierungsarbeit mit Jugendlichen auf und plädierte für Toleranz. Offensichtlich sind die neuen Musikgeräte, klein und lautstark, im vernünftigen Handling noch eine Herausforderung. Urs Preisig vom QV Lääbe in der Innerstadt schilderte die Situation im Stadtkern und plädierte für Anstand und gesunden Menschenverstand. Aus dem Publikum merkte FDP-Vorstandsmitglied Karin Sartorius-Brüschweiler an, dass Quartiervereine mit viel Bürokratie konfrontiert sind, wenn sie ein Quartierfest organisieren wollen und die Stühle müssten eigentlich schon dann reingeräumt werden, wenn die Jungen erst in den Ausgang gehen würden.

Die Diskussion ergab, dass nicht noch mehr staatliche Obhut die Lösung ist, sondern gerade umgekehrt, die Rückkehr zum nachbarschaftlichen Miteinander und die Abkehr von wohlstandsbedingten Maximalansprüchen. Die Wirklichkeit ist ja, dass mit der Verkehrsberuhigung im Zentrum der Geräuschpegel derart gesunken ist, dass morgens die Putzmaschinen plötzlich als solche wahrgenommen werden. Als Folge davon schafft jetzt der Kanton leise Elektroputzfahrzeuge an. Diese Beruhigung im Kern der Agglomeration führt stets zu neuen Ansprüchen, man will das städtische Angebot an Kultur und Gastronomie in Gehdistanz, ohne es privat zu hören.

Auf dem Land ist es übrigens nicht anders, die Zuzüger aus der Stadt finden schon nach kurzer Zeit das heimelige Kuhglockengeläut und das Gackern der Hühner unerträglich. Zudem merken sie, dass die Agglomeration immer städtischer wird, während die Städte zum Ländlichen tendieren. Das Phänomen ist weltweit bekannt: Je wohlhabender die Gesellschaft, je höher die Ansprüche. Als 1970 40 000 Menschen mehr in Basel-Stadt lebten als heute, es doppelt so viele Kinder und Jugendliche gab, noch jedes Quartier ein Tanzlokal hatte und die Innerstadt wie selbstverständlich mit dem Auto angefahren wurde, reichte ein Teilzeitbeamter für Lärmschutz vollständig aus. Der Verkehr war viel lauter, in fast allen Wohnungen lebten mehrere Menschen. Heute ist jede zweite Wohnung mit einem einzigen Bewohner belegt, Einsamkeit ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem.

Das Freiheitspodium zeigte deutlich auf, dass die Bürokratisierung der Stadtgeräusche ein Holzweg ist. Der Umgang damit gehört zurück in die Zivilgesellschaft, und wo diese überfordert und ein Lärmverursacher uneinsichtig ist, gibt es wie seit jeher die Polizei. Die Gastronomen und Kulturveranstalter sollen inskünftig von den Behörden nicht Schikanen, sondern Dank für ihr gesellschaftlich wertvolles Engagement bekommen. Und gegen exzessive Prozessierlust hilft die Einführung des Friedensrichters. Wer tatsächlich die Gerichte bemühen will, soll sich erst vor dem Juge de Paix erklären.

Freiheit ist Selbstverantwortung und Engagement.

Am 19. März diskutierten wir über Lärm.

Rückblick in der Basler Zeitung.

Rückblick Freiheitspoidum Lärm

Am Freiheitspodium diskutierten wir darüber, warum beim Thema Lärm heute nicht mehr der Dialog mit dem Nachbarn oder dem Lärmverursacher gesucht wird, sondern warum gleich die Polizei gerufen wird. Ebenfalls gingen wir der Frage nach, ob es wirklich lauter geworden ist in der Stadt oder ob wir einfach lärmempfindlicher geworden sind.

Datum und Zeit: 19. März um 18:30h
Ort: Stellwerk im St. Johann, Basel

Es diskutieren:

– Harald Hikel                  Leiter der Abteilung Lärmschutz im AUE
– Maurus Ebneter           
Delegierter des Vorstands des Wirteverbands
– Urs Preisig                      Vorstand des Quartiervereins «Lääbe in der Innerstadt»
– Malika Abd’Rabbou   
Mobile Jugendarbeit Basel und Riehen

Moderation                  Franziska Laur

Digitale Zukunft – vieles ist noch unklar. Rückblick Freiheitspodium 20. Juni 2017

Am 20. Juni 2017 fand das Freiheitspodium zum Thema „Digitale Plattformen im Spannungsfeld von Regulierung und Freiheit“ statt. Es wurde darüber diskutiert, welchen Einfluss die digitale Transformation auf unseren Arbeitsmarkt hat.

Zu diesem spannenden Zukunftsthema diskutierten Boris Kraft, Co-Gründer der auf CMS-Lösungen spezialisierten Basler Firma Magnolia, Pascal Pfister, Präsident der Basler SP, Samuel Rutz vom Thinktank Avenir Suisse sowie Daniel Seiler, Initiator des Freiheitspodiums, Vizepräsident der Basler FDP und Geschäftsführer der Rainmaker Corporation, einer Firma die Strategie- und Marketinglösungen für die digitale Zukunft anbietet.

fp11

Vorab – die Frage, ob die die digitale Zukunft per Saldo tausende Arbeitsplätze vernichtet oder eher mehr schafft, konnte nicht wirklich beantwortet werden.

Philipp Loser, Redaktor des Tagesanzeigers und Moderator des Freiheitspodiums vertrat zum Einstieg die These, dass wir heute nur sehr schwer abschätzen können, wie die Digitalisierung unsere Welt verändern wird. Er verwies darauf, dass selbst die Wissenschaft das nicht könne. Es gäbe Studien, etwa eine der Universität Oxford, die davon ausgehe, dass die Digitalisierung in den USA bis ins Jahr 2030 die Hälfte aller Jobs vernichtet haben wird. Und dann gäbe es Studien, wie etwa eine aktuelle der Innovationsökonomie der ETH Zürich, die das alles halb so schlimm sehe: Die Digitalisierung werde kaum Arbeitsplätze vernichten und sei viel eher eine Chance, unser aller Leben besser und angenehmer zu machen.

Auf dem Podium herrschte denn auch Einigkeit, dass die Entwicklungen der vergangen 20 Jahre Veränderungen brachten, welche nicht abschätzbar waren. Ebenso schwierig werde es, aufgrund der digitalen Veränderungen die Konsequenzen für die Zukunft abzuschätzen.

Erste Entwicklungen sind aber bereits sichtbar. So lässt sich z.B. im Gesundheitswesen durch die automatisierte Auswertung grosser Datenmengen und durch künstliche Intelligenz die Diagnostik stark vereinfachen und verbessern. Entsprechende Anwendungen sind schon heute in Betrieb.

Daniel Seiler merkte an, dass die Welt immer komplexer und nicht einfacher wird. Digitale Geschäftsmodelle funktioniere nur dann, wenn man die Komplexität beherrschen und wo immer möglich vereinfachen könne. Die heutigen bekannten digitalen Marktplätze basieren alle auf einer einfachen Geschäftsbeziehung und entstanden auf der grünen Wiese. Wirklich herausfordernd werde es hingegen dann, wenn komplexe bestehende Business Modelle und Wertschöpfungsketten mit vielen involvierten Stellen in die digitale Welt transformiert werden.

Die Teilnehmer waren sich mehrheitlich einig, dass globale, monopolartige Strukturen tendenziell gefährlich sein können für das lokale Gewerbe. Die heutigen digitalen Marktplätze werden primär durch grosse Multis kontrolliert (Google, Facebook, Uber, AirBnb etc.). Auf den Marktplätzen herrscht wenig Wettbewerb und die Multis zahlen lokal wenig bis gar keine Steuern. Ob und wie man durch Regeln diesen Unternehmen Einhalt bieten soll, darüber war man sich aber nicht einig.

Samuel Rutz fügte an, dass der klassische Mechanismus zu beobachten sei: Die Amerikaner erfinden es, die Chinesen kopieren es und die EU will es regulieren.

Eine grosse Herausforderung werde es aber für ein Land wie die Schweiz sein, wenn man solchen Multis „lokale“ digitale Marktplätze gegenüberstellen möchte. Boris Kraft merkte an, dass es für Softwarelösungen und IT-Projekte in der Schweiz kein Risikokapital und wenig Investoren gebe.

 Die digitalen Plattformen sind zugleich Gefahr und Chance. Einerseits konkurrenzieren sie das lokale Gewerbe und andererseits stellen sie neue Verdienstchancen und Arbeitsmodelle dar. Einig war man sich darüber, dass dabei alle Anbieter die gleich langen Spiesse haben müssen und dass die neuen Arbeitsmodelle auch hinsichtlich der Gesetze und Verordnung im Arbeitsrecht bzw. bei den Sozialversicherungen überprüft werden müssen. Teils wurde die Vereinfachung der selbständigen Tätigkeit gefordert. Ob es mehr Liberalisierung oder mehr Regeln braucht, darob schieden sich die Geister.

Ein Gast aus dem Publikum fasste die Diskussion sehr gut zusammen: Ein interessantes Thema, extrem ehrliche Ratlosigkeit auf dem Podium, dennoch, oder deshalb, spannend.

Das Thema wird also Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft weiter beschäftigen. Die FDP Schweiz hat übrigens ein Positionspapier zur Digitalisierung verfasst. “Chancen der Digitalisierung nutzen“